Aushang der veranstaltenden Schader-Stiftung zu den beiden Programmpunkten von FEdA und der Hochschule Darmstadt
Hinweistafel der veranstaltenden Schader-Stiftung auf die beiden Events von FEdA und der Hochschule Darmstadt.

Darmstädter Tage der Transformation 2023

„Städtisches Grün leistet einen wichtigen Beitrag – sowohl für die psychische als auch für die physische Gesundheit“

Rückblick auf die Session "Biodivers und klimaangepasst: Zukunftsfähigkeit öffentlicher und gewerblicher Flächen"

Viele Interessierte verfolgten die Session zu biodiverser und klimaangepasster Gestaltung öffentlicher Grünflächen, die FEdA gemeinsam mit der Hochschule Darmstadt bei den Darmstädter Tagen der Transformation 2023 ausgerichtet hat.

Die weltweiten „Zwillingskrisen“ Klimawandel und Biodiversitätsverlust sind eng verbunden, verstärken sich gegenseitig und müssen daher gemeinsam angegangen werden. Vor diesem Hintergrund hat die Koordinierungsstelle der Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA) gemeinsam mit der Hochschule Darmstadt und der Schader-Stiftung einen Workshop und eine Podiumsdiskussion bei den diesjährigen Darmstädter Tagen der Transformation veranstaltet. Beide Veranstaltungen stellten die biodiverse und klimaschonende Gestaltung von öffentlichen und gewerblichen Flächen ins Zentrum.

Zwei Impulsvorträge zum Start des Workshops betonten den Wert einer biodiversitätsverträglichen und klimaangepassten Umgebung sowohl für die Gesellschaft als auch für die Natur. Dr. Marion Mehring (ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung und Leiterin des FEdA-Projekts SLInBio) machte zunächst die Vorteile der urbanen Biodiversität deutlich und gab dann Tipps zu ihrer Förderung. So regte sie beispielsweise an, möglichst vielfältige Habitatelemente in Privatgärten zu gestalten, denn: wilde Ecken, Totholz, und geeignete Blühpflanzen böten Nahrung und Lebensraum für viele heimische Insektenarten.

Dr. Marion Mehring hat sich remote zugeschaltet
„Die Pandemie hat gezeigt, dass städtisches Grün einen wichtigen Beitrag leistet – sowohl für die psychische als auch für die physische Gesundheit“, konstatierte Dr. Marion Mehring.

Dr.-Ing. Sandra Sieber von der TU Darmstadt erklärte in ihrem Impuls, warum Stadtgrün nicht nur der Biodiversität helfe, sondern auch eine essentielle Rolle bei der Klimaanpassung einer Stadt einnehme. Diese Bedeutung machte sie anhand eines Gegenbeispiels deutlich: demnach verursache ein umfangreich versiegeltes Stadtzentrum einen Wärmeinseleffekt von bis zu 12 Grad Celsius. Da Pflanzen aber Wasser brauchen, um Abkühlung durch Verdunstung zu schaffen, müssten Begrünung und Wassermanagement immer und von Anfang an zusammengedacht werden, betonte die Expertin.

Austausch für Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft

Kernstück des Workshops waren sogenannte Dialog-Cafés, die auf die beiden Impulse folgten. In kleineren Gruppen tauschten die Teilnehmenden aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft ihre Erfahrungen mit öffentlicher und unternehmerischer Akzeptanz von Maßnahmen für mehr Stadtgrün aus und erörterten Hürden und Best-Practice-Beispiele bei deren Umsetzung. Dabei zeigte sich die höchste Bedeutung von Kommunikation, positivem Framing und relevanter begleitender Beratung mit zentralen Anlaufstellen während der Anfangsplanung und der Umsetzungsphase. Zudem thematisierten die Gruppen, welche Bedürfnisse die Praxis von der Wissenschaft hat.

Dr.-Ing. Sandra Sieber von der TU Darmstadt
Dr. Ing. Sandra Sieber betont: „Versiegelung (…) verstärkt Hitzestau und Gefährdung bei Extremregenereignissen“.

Nachdem die Erkenntnisse aus den Dialog-Cafés geteilt wurden, wurde die Veranstaltung für weitere Interessierte geöffnet und die Podiumsdiskussion auch live online übertragen. Moderiert von Dr. Julian Taffner (FEdA) und Prof. Dr. Birte Frommer (Hochschule Darmstadt) stellten sich die vier Panelist*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung der Diskussion. Prof. Dr. Nico Blüthgen, Leiter des FEdA-Projekts BioDivKultur, nutzte die Debatte vor allem, um die Bedeutung städtischer Grünflächen zu erläutern: Menschen wertschätzten solche Flächen und profitierten auch gesundheitlich von ihnen, gleichzeitig stellten solche Flächen wichtige Refugien insbesondere für Kleinlebewesen wie Insekten und andere Arthropoden wie Tausendfüßler oder Spinnentiere dar. „Auch kleine Flächen sind dafür sinnvoll“, bekräftigte Prof. Dr. Blüthgen, auch wenn Stadtgrün, global betrachtet, nicht den größten Hebel für die Bekämpfung der Biodiversitätsverlust darstelle. Karin Lübbe, Leiterin des Umweltamts der Wissenschaftsstadt Darmstadt, das auch Kooperationspartner von BioDivKultur ist, betonte darüber hinaus, wie wichtig vernetzte Grünflächen als Trittsteinbiotope seien und spricht sich für die Begrünung von Gebäudefassaden aus: „Jede Fassade ist begrünbar, weil es viele Systeme dafür gibt.“

„Es geht um die kleinen Maßnahmen“

Dr. Anna-Christine Sander vom Fachzentrum Klimawandel und Anpassung des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt, und Geologie appellierte an die Diskussionsgäste, sich hierbei vor allem auf bestehende Gewerbegebiete zu fokussieren. „Es geht um die kleinen Maßnahmen, die leicht umsetzbar sind,“ wie beispielsweise Dachbegrünungen, sagte Dr. Sander.

Beide Expertinnen beklagten tiefsitzende Vorurteile seitens der Bauplanung, die einer Begrünung oft im Weg stünden. Allerdings wäre ein möglicher Reputationsgewinn des Unternehmens durch umweltverträgliche Maßnahmen ein großer Vorteil im Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte, insbesondere angesichts des aktuell herrschenden Fachkräftemangels. Als Vertreter aus der Wirtschaft stimmte Ralph Gumb vor allem letzterem Sentiment zu. „Ich würde keine Maßnahme nur wegen des Geldes umsetzen“, konstatierte der Geschäftsführer der VarioPark GmbH, die sich in der Planung neuer und nachhaltigerer Gewerbegebiete betätigt, mit Blick auf mögliche kommunale Förderungsmittel. Diese seien nicht auschlaggebend – bei Gewerbegebieten funktioniere eine Begrünung „nur dann, wenn ein Gewerbebetreibende das selbst aufgreift.“

Das Panel: Nico Blüthgen, Karin Lübbe, Ralph Gumb und Anna-Christine Sander, flankiert von den Moderator*innen Birte Frommer und Julian Taffner.
Karin Lübbe sagt: „Jede kleine Maßnahme hat ein Wert, aber es gibt keine Maßnahme, die alles löst.“ Von links: Birte Frommer, Nico Blüthgen, Karin Lübbe, Ralph Gumb, Anna-Christine Sander und Julian Taffner.

Klimawandel und Biodiversitätsverlust gemeinsam angehen

Obwohl die Finanzierung für viele Akteure sicherlich eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Klimaanpassung und Biodiversitätsförderung spielt, waren sich die Panelist*innen einig, dass das größte Hindernis das in der Praxis größtenteils fehlende Wissen um die Bedeutung der Biodiversität sowie um vorhandene Förder- und Beratungsmöglichkeiten darstelle. Der Austausch von Anreizen, Ideen und Lösungsmöglichkeiten zwischen den Akteuren aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung, den FEdA und die Hochschule Darmstadt initiiert haben, zielte darauf ab, bestehende Hemmnisse bei der Umsetzung von biodiversitätsfördernden und klimagerechten Maßnahmen abzubauen und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

„Die Zwillingskrise aus Klimawandel und Biodiversitätsverlust sind die größten Herausforderungen für die Menschheit und müssen zusammen angegangen werden. Dabei dürfen sich die ergriffenen Maßnahmen nicht gegenseitig behindern“, betont Dr. Julian Taffner, Leiter der FEdA-Koordinationsstelle und Moderator der Diskussion. Damit zielt er auf Maßnahmen ab, die zwar dem Klimaschutz zuträglich sind, aber der Biodiversität schaden, wie beispielsweise die Errichtung von Staudämmen in Flüssen. „Der Austausch heute war lebhaft, alle Seiten sind zu Wort gekommen und alle konnten viel mitnehmen. Es ist klar geworden was zu tun ist und jetzt gilt es mehr denn je, vom Wissen ins Handeln zu kommen.“