Auf dem Podium diskutierten (von links): Dr. Verena Rossow, Dr. Josef Barla, Dr. Florian Schneider und Dr. Julian Taffner.
Nach dem preisgekrönten Dokumentarfilm “Biene Majas wilde Schwestern” diskutierten (von links) Dr. Verena Rossow, Dr. Josef Barla, Dr. Florian Schneider und Dr. Julian Taffner mit dem Publikum darüber, ob und wie wir das Zusammenleben von Menschen und Insekten in Städten verbessern können.

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Dokuabende Rhein-Main

„Wir müssen gegen die Insektenblindheit ankämpfen“

Dokuabende Rhein-Main stellen die wilden Schwestern der Honigbiene in den Mittelpunkt.

In ihren natürlichen Habitaten verschwinden sie zunehmend: In Wald, auf Feldern, sogar in Naturschutzgebieten nimmt das Insektensterben seit Jahrzehnten zu. In gleichem Maß gewinnt die Rolle von Städten als neuer Lebensraum an Bedeutung. Doch wir Menschen haben das Zusammenleben verlernt.

Die Dokuabende Rhein-Main haben den Brückenschlag zwischen Mensch und Insekt gewagt. Im Grünen Hörsaal der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung schauten rund 60 Besucherinnen und Besucher den preisgekrönten Dokumentarfilm „Biene Majas wilde Schwestern“ und diskutierten im Anschluss lebhaft mit den Experten zu der Frage „Frankfurt – eine Stadt für Insekten“, wie sich das Zusammenleben von Mensch und Insekt harmonisieren ließe.

„Wir müssen gegen die Insektenblindheit ankämpfen, unter der wir in der Stadt leiden: Wir nehmen Insekten nur wahr, wenn sie uns stören, wenn sie lästig werden“, beschreibt Dr. Florian Schneider, Insektenforscher am ISOE – Institut für sozial-ökologisch Forschung, der mit seiner Arbeit für das FEdA-Projekt SLInBio gerade die Insektenvielfalt Städten in den Blick nimmt. Mit ihm stand Dr. Josef Barla, Sozialphilosoph an der Goethe-Universität in Frankfurt, auf dem Podium. Barla arbeitet im Spannungsfeld zwischen Technologie, Natur und Gesellschaft. Hier untersucht er die Rolle der Erwartungen als zukunftsgestaltende Praktik in der Bioökonomie transgener Moskitos, solcher Stechmücken also, deren Nachkommen aufgrund einer genetischen Veränderung steril gezeugt werden, um die Population und mit ihr die übertragenen Krankheiten einzudämmen. „Insekten haben eine Rolle als Modelle und Metaphern gespielt – durchaus mit problematischen Rollen“, führt Barla aus.

Moderiert von Dr. Verena Rossow (ISOE) und Dr. Julian Taffner (FEdA) stellten sich die Experten Fragen aus dem Publikum. Insektenhotels trieben gleich mehrere Gäste um. Zur Frage, ob es schädlich wäre, ein Insektenhotel nicht gen Süden auszurichten, stellte Schneider klar: „Diese Ausrichtung sorgt nur für beste Bedingungen: Wärme, Trockenheit. Nach Norden bleibt es oft zu feucht, die eingelagerte Brut fault.“ Aber: „Die Holzbohrung im Totholz ist auch nicht immer nach Süden ausgerichtet.“ Eine andere Frage zielte auf mögliche Gefahren für Kinder durch ein tiefhängendes Insektenhotel. Hier beruhigt Schneider: „Die Gefahr ist gering. Die solitären Bienen stechen in der Regel  nicht. Die Honigbiene hat den Legeapparat zum Wehrapparat umgebaut. Eine solitäre Biene braucht aber ihren Legeapparat zur Fortpflanzung.“

Auf die Frage wie man die gesellschaftlich weit verbreitete Angst vor Insekten wieder loswerden könnte, antwortete Barla: „Es kommt darauf an, Wissen transparent und zugänglich zu transportieren. Ich glaube, es gibt viele Mythen. Und gegen die kommt nur Wissensvermittlung an.“ Er verweist hier auch auf seine Forschung, die „ironischerweise“ häufig Menschen zeige, „dass Insekten gar nicht gefährlich seien.“ Die Ironie sieht Barla darin, dass das Projekt auf die Dezimierung von Stechmücken ziele. Hieran knüpfte Schneider an: „Insektenhotels sind eine gute Gelegenheit, um sich mit Insekten auseinander zu setzen. Aber sie sind in erster Linie für Menschen da: um Kontakt zu den Insekten herzustellen.“

Auch die Moderator*innen hatten handfeste Ratschläge bei der Hand. Rossow, die selbst im Projekt SLInBio mitarbeitet, empfahl das Buch „Tagebuch einer Biene“, Taffner verwies auf die umfangreiche Ratgeber-Sammlung auf der Homepage der FEdA.

Am Ende gab Schneider dem Publikum mit: „Wir werden mit Insektenhotels die Insektenvielfalt nicht zurückbringen. Dafür braucht es Habitate, geschützte Räume.“

Die Eventreihe Dokuabende Rhein-Main wurde von der FEdA und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ins Leben gerufen. Dieses Mal fand der Filmabend in Kooperation mit dem ISOE statt.