Pressemitteilung · 1. Dezember 2021
Die gesellschaftliche Dimension des Artensterbens
Welche Lösungen gibt es gegen den drastischen Rückgang der Biodiversität? Das untersuchen 17 wissenschaftliche Projekte, die in eine neue Förderphase starten.
– Für den Inhalt dieser Pressemitteilung ist die Koordinierungsstelle der Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA) bei der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung verantwortlich –
Die Vielfalt des Lebens auf der Erde schwindet in rasantem Tempo. Das belastet nicht nur wichtige Ökosysteme, sondern bedroht auch unmittelbar das menschliche Wohlergehen und Wirtschaften. Forschende sind sich daher einig: Es braucht schnell wirksame Gegenmaßnahmen, um möglichst viele Tier- und Pflanzenarten vor dem Aussterben zu retten. Offen ist allerdings in vielen Fällen, wie man dieses Ziel am besten erreicht – und welche Hindernisse eigentlich der Umsetzung ambitionierter Artenschutzvorhaben im Weg stehen.
Diesen Fragen widmen sich 17 Forschungsprojekte in ganz Deutschland, die im Rahmen der Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA) durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert werden. Seit heute befinden sie sich in der zweiten Förderphase. In der Ausschreibung „BiodiWert – Wertschätzung und Sicherung von Biodiversität in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft“ geht es etwa um neue Schutzkonzepte und Bewirtschaftungsmethoden, aber auch darum, wie sich das Bewusstsein für die Bedeutung der Artenvielfalt und intakter Ökosysteme sowie für die Kosten der Umweltzerstörung auf unternehmerischer und gesellschaftlicher Ebene steigern lässt.
„Wir wissen bereits einiges über die direkten Ursachen des Artensterbens wie die Abholzung von Wäldern, das Trockenlegen von Mooren oder die Flächenversiegelung“, sagt Professor Volker Mosbrugger, Sprecher der Forschungsinitiative. „Die BiodiWert-Projekte widmen sich nun vor allem den sogenannten indirekten Treibern, die hinter den sichtbaren Ursachen stehen, und die in der Forschung bislang meist vernachlässigt wurden. Etwa: Wie groß ist überhaupt die Wertschätzung von Biodiversität in der Gesellschaft? Und welche Rolle spielen vorhandene – und auch nicht vorhandene – Regelwerke, Subventionen oder auch Lebensstile dafür, dass ein wirksamer Schutz von Ökosystemen bislang gescheitert ist?“ Ein Beispiel dafür sei der True-Cost-Ansatz: „Wenn ein Unternehmen natürliche Ressourcen und Flächen nutzt und dabei sozusagen Naturkapital verbraucht, werden die Kosten derzeit in den meisten Fällen externalisiert. Das heißt, die ganze Gesellschaft zahlt für die entstehenden Umweltschäden.“ Oft treten diese Schäden erst später oder an anderer Stelle auf und belasten nachfolgende Generationen. Daher müsse der Schaden an der Natur und an Ökosystemen den Verursachern unmittelbar in Rechnung gestellt werden, so Mosbrugger. Indem die Forschungsinitiative solche Ansätze und ihre Umsetzbarkeit untersuche, leiste sie einen Beitrag für die notwendige Transformation der Gesellschaft zur Nachhaltigkeit, so Mosbrugger.
Die Forschung der BiodiWert-Projekte ist dabei besonders anwendungsorientiert. Dafür sorgt unter anderem die Kooperation mit Praxispartnern aus Industrie und Handel, der Landwirtschaft, Kommunen und öffentlicher Verwaltung sowie der Zivilgesellschaft. Alle Projekte hatten zunächst eine einjährige Konzeptphase durchlaufen; das Bundesforschungsministerium sah ihre Ziele und Methoden nun für weiter förderungswürdig an. Die zweite Phase der Ausschreibung ist auf drei Jahre angelegt.
Die zentrale Koordination der Forschungsinitiative, die bei der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt am Main angesiedelt ist, arbeitet zeitgleich am Aufbau einer digitalen Infrastruktur, um die Daten der unterschiedlichen Projekte zu bündeln und für weitere Analysen verfügbar zu machen. Die FEdA kooperiert dafür mit dem Konsortium NFDI4Biodiversity der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI), das sich mit der gemeinschaftlichen Nutzung von Biodiversitäts- und Umweltdaten befasst.
Die Forschungsthemen der FEdA stehen auch im Fokus einer internationalen, digitalen Konferenz im nächsten Jahr. Auf der Veranstaltung mit dem Titel „Biodiversity and Human Well-Being – Europe’s Role in Shaping Our Future“ (Biodiversität und menschliches Wohlergehen – Europas Rolle bei der Gestaltung unserer Zukunft) diskutieren vom 22. bis 24. Juni 2022 Wissenschaftler*innen unterschiedlichster Disziplinen mit Stakeholdern aus Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Medien. Interessierte können sich bereits in eine Mailingliste eintragen, um Informationen zur Anmeldung und zum Konferenzprogramm zu erhalten: https://www.feda.bio/en/2022-conference/
Die vollständige Liste der in Phase 2 geförderten BiodiWert-Projekte:
BioVal | Biodiversity Valuing & Valuation
BioWaWi | Biodiversität und Wasserwirtschaft
BiTe | Biodiversität über den Tellerrand
gARTENreich | Präferenzen und Hemmnisse für die Gestaltung artenreicher Privatgärten
In der Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA) fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) wissenschaftliche Projekte zur Analyse der Biodiversität in Deutschland sowie zur Entwicklung und Umsetzung innovativer, effektiver Maßnahmen zum Schutz und zur Verbesserung der biologischen Vielfalt. Die FEdA unterstützt dabei im Sinne einer „transformativen“ Wissenschaft den zielgerichteten Austausch zwischen Forschung, Politik, Wirtschaft, Land- und Forstwirtschaft, Naturschutz und Zivilgesellschaft. Um mehr zu erfahren, besuchen Sie unsere Website www.feda.bio und folgen Sie uns auf Twitter (@FEdA_Biodiv).