Hintergrund
Ökosystemleistungen – vom Wert der Natur
Ohne intakte Umwelt kann die Menschheit auf Dauer nicht überleben. Das klingt zunächst einleuchtend. Doch wie genau sorgt die Natur eigentlich für uns? Eine Möglichkeit, das zu bemessen, sind die sogenannten Ökosystemleistungen. Darunter versteht man den Nutzen, den Menschen von gesunden Ökosystemen haben – oft ausgedrückt als finanzieller Gewinn. So lässt sich etwa ermitteln, dass die weltweite Bestäubung von Nutzpflanzen durch Insekten einen ökonomischen Wert von geschätzt 400 Milliarden Euro pro Jahr hat. Das ist mehr als der Haushalt der Bundesrepublik Deutschland.
Weitere Beispiele dafür, wie Flora und Fauna zu unserem Wohlergehen beitragen, gibt es zuhauf: Wälder und Auenlandschaften filtern das Trinkwasser und liefern Rohstoffe wie Holz. Gesunde Ackerböden sind unverzichtbar für den Anbau von Getreide und Gemüse sowie Futter für die Tierhaltung. In der Stadt verbessern Grünflächen und Bäume das Klima und die Luftqualität. Und bei der Herstellung von Medikamenten spielt das „natürliche Kapital“ ebenfalls eine Rolle: Schätzungen zufolge ist die Hälfte aller pharmazeutischen Mittel pflanzlichen oder tierischen Ursprungs oder greift für die Produktion auf Mikroorganismen zurück.
Ein „Preisschild“ für die Natur?
Ökosystemleistungen spielen in Umweltschutz-Diskussionen eine wachsende Rolle. Auch die Vereinten Nationen beziehen sich in ihren Zielen für nachhaltige Entwicklung unter anderem auf diesen Begriff. Aber trotzdem stellt sich für manchen die Frage: Muss man die Natur auf diese Weise betrachten? Sollte sie nicht um ihrer selbst Willen bewahrt werden oder zumindest als Erbe für zukünftige Generationen? Das Konzept der Ökosystemleistungen versieht biologische Prozesse mit einer Art Preisschild. Manche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen das kritisch. Andere befürworten es. Denn die Idee der Ökosystemleistungen kann noch einmal zusätzliche Argumente dafür liefern, warum die Umwelt erhaltenswert ist. Das kann insbesondere bei der Abwägung von Naturschutz gegen ökonomische Interessen eine Rolle spielen. So lässt sich etwa bei der Umwandlung eines Waldgebiets in Gewerbefläche nicht mehr nur der erwartete Nutzen durch die Bebauung mit einer Geldsumme ausdrücken, sondern auch die langfristigen Verluste durch die Abholzung. Das ist hilfreich, weil viele wichtige Funktionen von Ökosystemen gewissermaßen unsichtbar ablaufen: Wir merken nicht, dass es die Bäume sind, die das Stadtklima im Sommer erträglich halten. Oder wie ein brachliegendes Areal am Rande einer Wohnsiedlung große Mengen Regenwasser im Boden versickern lässt und somit Überschwemmungen verhindert.
Auch Erholung und Ästhetik haben einen Wert
Als Ökosystemleistungen zählen zudem häufig auch „kulturelle Leistungen“. So versucht man beispielsweise zu erfassen, wie groß der Nutzen von Wäldern und anderen Naturgebieten für die Erholung und die Inspiration von Menschen ist. Ihre ästhetische und spirituelle Funktion und ihre Bedeutung als Naturerbe oder Bildungsstätte spielen ebenfalls eine Rolle. So wird auch der ideelle Wert der Natur im Konzept der Ökosystemleistungen berücksichtigt – auch wenn dieser rechnerisch noch schwieriger zu bestimmen ist als andere Arten von Nutzen.
Die Gesundheit eines ökologischen Systems hängt direkt von seiner biologischen Vielfalt ab. Denn die meisten übergreifenden Prozesse sind auf das Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen wie Bakterien und Pilzen angewiesen. Alle haben ihre eigene Aufgabe in natürlichen Kreisläufen. Ist die Biodiversität einer Landschaft gefährdet, gilt das auch unmittelbar für die von ihr bereitgestellten Ökosystemleistungen. Das ist ein weiterer Grund dafür, warum die Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA) nach Lösungen sucht, um die biologische Vielfalt in Deutschland zu schützen und zu vergrößern.